Die anwesend Abwesenden

Der Abschied von einem geliebten Menschen ist der vorletzte Härtefall deines Lebens.
Härter ist es nur, nie einen solchen Menschen gehabt zu haben, von dem du dich hättest verabschieden müssen. So wird der Abschied dir nicht leichter, aber der geliehene Mensch,den du nun lassen musstest, bleibt dir Geschenk.“

(Christoph Stender / Januar 2005)

Mit diesen Worten von Christoph Stender möchte ich Sie in den Trauer- und Gedenkmonat November hineingeleiten; zeigt doch dieser Text eine unerwartete, fast schon positive Seite des Abschieds von einem Menschen, auch wenn diese in der konkreten Situation sicherlich primär nicht gefühlt wird. Vielleicht ist es an dieser Stelle sogar nötig, über diesen Aspekt hinaus auch noch einmal einen weiteren, eher vergessenen Aspekt des christlichen Auferstehungsglauben zu erwähnen: Das dualistische Bild von Leib und Seele, das unser Denken bestimmt, trennt zwischen dem vergänglichen, dem Tod anheimgegebenen Leib und der unsterblichen Seele.

Wenn schon nicht erst dieser Gedanke dazu beflügelt, an eine „Nicht-Abwesenheit“ der Verstorbenen zu glauben, so evtl. Einsteins Materie- Erhaltungssatz. Beides zusammen genommen könnte uns – gerade als Christen – fragen lassen: sind unsere Toten überhaupt „weg“, „waren“ sie nur oder sind sie irdisch „ge-wesene“ und daher immer noch unter uns „an-wesend“?  Wie oft spüren Angehörige sehr deutlich die Nähe eines Verstorbenen. Dies mag esoterisch oder spiritistisch klingen, doch gerade unser Glaube sagt: die Seelen der Verstobenen sind unterwegs zum himmlischen Ziel und wir - so Prof. Dr. Boeminghaus bei seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung „Das Gebet“ in der Grabes- und Auferstehungskirche - können unsere Verstorbenen auf dieser Reise mit unserem fürbittenden Gebet begleiten, ihnen gar helfen. Am Aller-Seelen-Tag feiern wir um 18.30 Uhr den zentralen Gedenkgottesdienst für die in und durch St. Lukas Bestatteten. An diesem Abend beginnen wir mit einer Installation in der Grabes- und Auferstehungskirche, die fortlaufend die Namen aller unserer Verstorbenen im Raum projiziert, um diese „Anwesenheit der  Abwesenden“ spürbar und erlebbar zu machen.

Der Trauer- und Gedenkmonat lädt uns ein, nicht nur über unsere Vergänglichkeit nachzudenken, sondern sich das „Geschenk“ von lieben Menschen und ihre dauerhafte Präsenz in unserem Leben bewußt zu machen. Der Monat November beginnt mit dem Fest Allerheiligen, das uns das himmlische Ziel aufzeigt, und wird enden mit dem Entzünden der ersten Adventkerze am grünen Kranz der Hoffnung, weil Christus uns vorausgegangen ist, um uns eine himmlische Wohnung zu bereiten. Und so heißt es passend zum Gedanken des „An-wesend-seins“ in einer Präfation für unsere Verstorbenen:  „Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“ Ich wünsche Ihnen und uns allen den Trost dieses Gebetes!            

Pastor Ernst-Joachim Stinkes

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